Freitag, 25. März 2016

Einige von uns

Einige von uns fielen vom Himmel
einige von uns zählten die Sterne
einige von uns zähmten einen Tiger
einige von uns flogen wie der Wind
einige von uns zogen in den Krieg
einige von uns warfen Bomben
einige von uns wurden schwer verletzt
einige von uns konnten nicht vergessen
einige von uns wurden verrückt
einige von uns liefen Amok
einige von uns verloren ihr Liebstes
einige von uns waren einsam
einige von uns rächten sich
einige von uns drehten sich im Kreis
einige von uns hatten Albträume
einige von uns glaubten an Gott
einige von uns glaubten an Monster
einige von uns waren Monster
einige von uns säten Getreide
einige von uns bohrten Brunnen
einige von uns bissen ins Gras
einige von uns starben fast vor Scham
einige von uns trauten sich was
einige von uns verirrten sich
einige von uns sahen Wunder
einige von uns saßen im selben Boot
einige von uns zeigten mit dem Finger
einige von uns behaupteten,
einige von uns seien anders
einige von uns verschlossen sich
einige von uns wollten dazugehören
einige von uns wussten Bescheid
einige von uns nahmen das Ruder
einige von uns stießen
einige von uns ins Meer, wo
einige von uns ertranken und
einige von uns gerettet wurden
einige von uns zogen Grenzen, die
einige von uns übertraten, worauf 
einige von uns zu den Waffen griffen, um
einige von uns in Schach zu halten, bis
einige von uns zur Vernunft kamen und 
einige von uns die Zäune einrissen, damit 
einige von uns miteinander in Kontakt treten konnten und
einige von uns erkannten, dass es gar keine anderen gab als immer nur
einige von uns 

Donnerstag, 17. März 2016

Du riechst gut

Fort
Schlaf
Wer bist du?
Am Meer


Jetzt sag schon: Wo warst du?

Ich bin unseren Träumen gefolgt.

Du hast ein Aber zwischen uns gesetzt.

Nein, ich habe ein Und eingefügt.

Sie ist wieder da. Und sie zieht an mir. Möchte mir zeigen, was sie gesehen hat. Stellt etwas in Aussicht. Es scheint sehr real. (Kann etwas realer sein als real?) Sie ist unseren Träumen gefolgt, hat im Wachzustand erlebt, was wir sonst nur im Schlaf ... OMG! Jetzt will sie, dass ich mitkomme, mich mit eigenen (offenen!) Augen überzeuge. Im Schlaf erschien es mir schon so real. Geht es denn noch realer? Realer als im Traum? Ich fasse es kaum, aber sie, sie sprüht vor Begeisterung und vor Leben. (Ja, vor Leben, das muss ich ihr neidlos zugestehen.) Ja, sage ich, ich geb‘s zu: Nicht du bist für das Aber verantwortlich, sondern ich. Das Aber des trägen Zweifels. Du hast das Und der Möglichkeit und des Muts ausprobiert. Ich sollte dir vertrauen. Trotz deiner Schrammen, der Blasen an den Füßen und des zerzausten Haars. Trotz des Sonnenbrands auf deinen Schultern. Du riechst gut. Nach (Darf ich das sagen, auch wenn es abgedroschen klingt?) Freiheit.


Dienstag, 8. März 2016

Unglaublich tapfer (Welttag der Frau 2016)

Feiern wir heute, dass wir Frauen sind?

Aber das feiern wir doch jeden Tag.

Wir sind so unglaublich tapfer.

Ja, das sind wir.

Dann ruhen wir uns heute aus?

Und lassen die Tapferkeit im Schrank.

Stellen wir auch Forderungen?

Nein, dazu lassen wir uns nicht herab.

Aber wie wollen wir dann etwas erreichen?

Wir nehmen es uns.

Weil es uns gehört?

Weil es uns gehört.

Und fragen nicht um Erlaubnis?

Und fragen nicht um Erlaubnis.

Wir sind so unglaublich tapfer.

Ja, das sind wir.

Samstag, 5. März 2016

Am Meer

Fort
Schlaf 
Wer bist du?

Wo wir nie getrennt sind: am Meer. Da sind wir eins. Sind uns eins. Spazieren einträchtig am Strand, bücken uns nach durchlöcherten Steinen und Muscheln, um diese auf eine Schnur zu fädeln. Lassen unsere nackten Füße von den Wellen umspülen. Jede siebte geht uns bis zum Knie. Wir haben die Haare hochgebunden, unser Nacken ist von der Sonne gerötet, die Lippen schmecken nach Salz. Wir brechen Austern vom Fels, schlürfen sie an Ort und Stelle, mit geschlossenen Augen und ohne Champagner zum Nachspülen. Luxus pur bedeutet genau das: den Mund voll Meer. Nichts sonst. Der Wind küsst uns die Stadt von der Haut. Wir könnten bleiben. Könnten wir? Bleiben? Sie und ich? (Sie hat mir immer noch nicht erzählt, wo sie war an diesem einen Tag. Und es war ja nicht das erste Mal, dass sie plötzlich fort war.)

Donnerstag, 3. März 2016

Wer bist du?

Fort
Schlaf

Wer bist du, wenn du spielst?
wenn du schläfst
wenn du träumst
wenn du liebst (Wen? Sie? Dich?)

Wer bist du, wenn du du bist?
wenn du sie bist
wenn eine fehlt

Wer bist du, wenn du aufwachst?
aus dem Spiel
aus dem Schlaf
aus den Träumen
aus der Liebe

Wer bist du, wenn eine fehlt?
wenn du fort bist
wenn sie fort ist

Wer bist du ohne sie?
ohne dich
allein in deiner Haut
Wer?


***


Das Gefühl, dies könnte eine neue Reihe werden. Eine Reihe über Sie, wieder mal. Ähnlich und doch neu. Eine Variation. Der erste Text (Fort) stand fast zwei Wochen für sich allein. Ungewöhnlich. Ich wartete auf mehr, hatte aber zu wenig Zeit, um ununterbrochen mit konzentriertem Warten beschäftigt zu sein. Das Real Life, das reale Leben nahm mich ein (und tat dies übrigens auf wunderbare Weise, oh ja). Gestern dann dachte ich: Lass die Texte doch einfach purzeln, sie sind ja längst da, nichts, worauf du warten müsstest. Wie recht sie hat/ich habe!
Let it purzel! In aller Unvollkommenheit. (Gib‘s zu: Genau das liebst du doch!) Ja, ich geb‘s zu. Diesmal also Purzeltexte. Kleine Stücke, unbehauen. Erwartet nicht zu viel. Ich tu‘s auch nicht. Und sie – hoffentlich – auch nicht.

Mittwoch, 2. März 2016

Schlaf

Fort

Sie wachte erneut auf, diesmal am Abend, als sie gerade im Begriff war, das Licht zu löschen. Sie hatte das Fenster aufgestellt, der Wind bauschte die Vorhänge und der runde Mond rollte fast zu ihr herein. Da wachte sie zum zweiten Mal auf und – war wieder ganz. Sie, die andere, war zurückgekehrt, hatte sich still wieder in sie eingefügt. Mehr musste nicht gesagt werden. Mehr musste niemand wissen. Sie nicht und sie nicht und keine. Dennoch: Wo war sie gewesen? (Wo bist du gewesen? Sag, wo?) Stumme Zwiesprache. Ein Körper mit dem richtigen Gewicht, um die Kuhle in der Matratze auszufüllen. Eine Seele, die Hand in Hand wandert. E i n  mäandernder Geist. Sie in sich. So weit. Alles, was Wort werden kann, ist möglich. Schlaf, du. Schlaf. Und träume den nächsten Dialog.