Freitag, 4. Dezember 2015

Mein Zimmer

In den vergangenen Tagen habe ich das alte Zimmer meiner Tochter zu meinem Zimmer gemacht. Ich hatte längst ihre Erlaubnis, brauchte aber eine Weile, um auch diese Phase des Abschieds in Angriff zu nehmen. Jetzt endlich war es soweit. Kisten packen, hinauf ins Dachzimmer tragen, putzen, Möbel umstellen, abbauen, wieder aufbauen, meine überall im Haus verteilten Sachen zusammentragen, entscheiden, was bleibt, was weg kann, was wo hinkommt.


Ich hatte zunächst überlegt, die paar Löcher in den Wänden zu verspachteln und anschließend alles neu zu streichen. Stattdessen habe ich aus einer spontanen Laune heraus Pflaster drauf geklebt, einen langen Riss mit roter Ölpastellkreide nachgemalt und „Die Wände bluten zurück“ mit Bleistift daneben geschrieben. 
Die Gedichtbände und Musikerbiografien stehen ordentlich nebeneinander aufgereiht, dazu noch ein paar schöne, besonders geliebte Bücher, z.B. Alice, der Ausstellungskatalog der Joan Mitchell-Retrospektive liegt da, aktuelles Inspirationsobjekt, darüber hängt das Ausstellungsposter, die Rolling Stone-Ausgaben sind chronologisch gestapelt, ein paar Muscheln (alle aus der Bretagne), eine Mosaikschale, meine alte Briefwaage, ein paar Romane auf dem Nachttisch („Phantasien“ von Jason Starr, „Die Gestirne“ von Eleanor Catton, „Die gelbe Tapete“ von Charlotte Perkins Gilman), der Essayband „Wenn Männer mir die Welt erklären“ von Rebecca Solnit, das Gedichtbändchen „Dezember“ aus dem Reclam Verlag ...
Mein Bett, Kissen und Decken, mein Schreibtisch, darauf Stifte und Papier, Malblock und Farben, mein Laptop ...
Ich brauche gar nicht viel (oder: das Wenige ist mir viel).
Ordnung – Schönheit – Inspiration. Ich stand vor der Wahl, entschied mich für alle drei. Nichts ist fertig, alles ist Ausgangspunkt, Freiraum ...  Ich liebe mein neues Zimmer, es ist so – so – meins.

Meine Tochter hatte mit Bleistift auf die Tapete neben dem Türrahmen (so dass jedesmal beim Verlassen des Zimmers ihr Blick darauf fiel) geschrieben: „You‘ll never get what you want unless you take it.“ Das bleibt, ich hab‘s noch rot eingerahmt.

6 Kommentare:

  1. Das Gefühl ist gut beschrieben. Ich erinnere mich noch gut als ich vor 15 Jahren etwa mein eigenes Zimmer einrichtete - mein Rückzugsort, mit meinen Büchern (zu der Zeit hauptsächlich Bücher von und für Frauen), Stiften, Musik und Düften... es tat so gut dort zu sein...

    Viel Freude in und mit dem neuen Freiraum!

    Gruß,
    Silbia


    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Es tut wirklich unglaublich gut, liebe Silbia. Und schon nach diesen wenigen Tagen frage ich mich, wie ich es so lange (20 Jahre!) ausgehalten habe ohne eigenes Zimmer. Mein Blog war mir teilweise Ersatz (Könnte jetzt eigentlich aufhören mit Bloggen, hatte ich kurz gedacht.)

      Danke und lieben Gruß zurück,
      Iris

      Löschen
  2. Dein Zimmer für Dich allein! Ich freu mich für Dich!

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Jaaa! Es ist so toll. Aber dir muss ich das ja nicht erzählen. :-)

      Löschen