Freitag, 24. September 2010

Hoffnung

Einen Regenbogen packen und schütteln, bis er grau ist.
Dem Wind ins Gesicht lachen.
Ein "Ich liebe Dich" in den Himmel schleudern.
Alle Hoffnung auf's Meer setzen.

Freitag, 17. September 2010

Rezept gegen Schlechte Laune

Stell deine schlechte Laune in die Ecke. Lass alles stehn und liegen. Schlüpf in die Stiefel, schnapp dir Jacke, Tasche, Schlüssel. Wirf die Haustür hinter dir ins Schloss.
Setz dich ins Auto, dreh das Radio an, fahr los, zum Park.
Lauf eine Runde um den See. Stampf durch die Pfützen, spring hinein oder darüber. Pfeif den Vögeln ein Lied. Schick ein paar flache Steine übers Wasser. Sieh den Jungs mit ihren ferngesteuerten Booten zu. Beneide sie, die Boote und die Vögel, das Wasser und die Steine um ihren Gleichmut.
Zieh Stiefel und Strümpfe aus, kremple die Hosenbeine hoch, lach über die Blicke der anderen Spaziergänger und wate hinein ins eiskalte Wasser. Spür das Ziehen, den Kick, die Konzentration deines Körpers. Spür dein Blut und das Leben in dir. Die anschließende Wärme.
Nun stelle fest, dass du Lust auf Hühnersuppe hast. Besorge alles, was du dafür brauchst. Fahr voller Tatenlust nach Hause.
Fang den Nachbarn ab, der vor deiner Haustür steht und schon dreimal vergeblich geklingelt hat. Erinnere dich an den Termin, koch ihm einen Kaffee und lass ihn endlich deine Satellitenschüssel richten und den neuen Receiver anschließen. Freu dich, dass du am nächsten Sonntag wieder Tatort schauen kannst.
Währenddessen widme dich der Hühnersuppe: Brate das Hähnchen an, zerkleinere das Gemüse, öffne den Wein. Hol zwei Gläser, stoße mit dem freundlichen Alleskönner an auf die 300 zusätzlichen Programme, die du bald empfangen kannst. Wirf das Gemüse in den Topf; den Ingwer, die Zitronenviertel, die Chilischote. Gieß Sojasoße und Wasser drüber.
Geh wieder ins Wohnzimmer zu deinem Nachbarn und dem Wein. Lass dich in den Sessel fallen und plaudere ein bisschen, lach über die schlechten Witze, freu dich an der Freundlichkeit. Schiele rüber in die Ecke:
Da steht die schlechte Laune und schämt sich. Soll sie auch.

Donnerstag, 2. September 2010

Raymond Carver: Träge

"Die Leute, die besser dran waren, hatten's komfortabel.
Sie lebten in getünchten Häusern mit Wasserklosetten.
Fuhren Autos, deren Baujahr und Typ erkennbar waren.
Jenen, denen's schlechter ging, tat's leid und sie hingen rum.
Ihre seltsamen Wagen standen auf Klötzen in staubigen Höfen.
Die Jahre vergehen und alles und jeder
wird ersetzt. Doch eines bleibt wahr -
ich wollte nie was tun. Mein Ziel war immer,
träge zu sein. Darin sah ich das Verdienst.
Mir gefiel der Gedanke, in einem Stuhl zu sitzen,
vor dem Haus, stundenlang, nichts zu tun,
als einen Hut zu tragen und Cola zu trinken.
Was soll daran falsch sein?
Von Zeit zu Zeit an einer Zigarette ziehen.
Spucken. Mit einem Messer Dinge aus Holz schnitzen.
Was soll daran schlimm sein? Dann und wann die Hunde rufen,
und Hasen zu jagen. Versuch's einmal.
Bisweilen ein fettes, blondes Kind, eins wie ich, grüßen
und sagen: 'Wir kennen uns doch?'
anstatt: 'Was willst Du werden, wenn Du mal groß bist?'"


aus: Raymond Carver, Gorki unterm Aschenbecher, Gedichte
Maroverlag 2002